Geologie von Haren (2): Die Urweser

Geologie von Haren (2): Die Urweser

Ein Teil des emsländischen Landschaftsbildes

Das Eiszeitalter, auch Pleistozän genannt, begann vor etwa 2,6 Millionen Jahren und endete vor etwa 10.000 Jahren. Schon zu Beginn dieses Zeitalters fand weltweit eine merkliche Abkühlung statt. Erste kalte Phasen mit Vergletscherungen auf dem skandinavischen Festland, so genannte Glaziale , fanden statt und wechselten sich wieder mit wärmeren Phasen, den so genannten Interglazialen, ab. Erst ab dem mittleren Pleistozän, vor etwa 400.000 bis 150.000 Jahren, schoben sich mindestens dreimal die großen skandinavischen Gletscher über unsere Region hinweg und veränderten dabei unsere Landschaft nachhaltig.

Im frühen Pleistozän jedoch, als die skandinavischen Gletscher Norddeutschland noch nicht erreichten, kam es in den Mittelgebirgen zu enormen Produktionen von Frostschutt, die bei einer Schneeschmelze von den Flüssen als Flusskies abtransportiert wurden. Solche Flusskiese aus der Zeit des frühen Pleistozäns sind in unserer Region in Saugbaggereien wie z.B. in Renkenberge, in Walchum oder auch früher in einer Kiesgrube in Lindloh anzutreffen. Es sind Buntsandsteine (Wesersandstein) aus dem Solling, schwarze Kiesel aus dem Sauerland, Gangquarze aus dem Harz und Porphyre und Granite aus dem Thüringer Wald, also alles Gesteine aus dem Einzugsgebiet von Mulde, Werra, Fulda und Weser. Eine von K.D. MEYER im Jahre 1999 durchgeführte Geschiebe,- bzw. Geröllanalyse aus der ehemaligen Kiesgrube Lindloh beinhaltete etwa 26% Buntsandstein (Wesersandstein), 10% Lydite südlicher Herkunft und 2% Granite aus dem Thüringer Wald.

Abb.1: Zu Schmuck verarbeiteter baltischer Bernstein aus einer ehemaligen Saugbaggerei in der Nähe von Haren. Collection Pinkernell, Hagen u. Luttermann

Bemerkenswert ist dabei, dass auch baltischer Bernstein in diesen Kiesen gefunden werden kann. Neueste Arbeiten (HUISMAN, 2008) beschreiben, dass dieser Bernstein im Miozän, vor etwa 20 Millionen Jahren von einem Flusssystem aus dem Ostseegebiet in den Raum Bitterfeld verfrachtet wurde, der dann im frühen Pleistozän von den Vorläufern der Saale oder Mulde aufgenommen und schließlich von der Urweser in unseren Raum weiter verfrachtet wurde (Abb.2).

Abb. 2: Nordwesteuropäische Flüsse während der Pliozän/Pleistozän – Grenze. Darstellung nach Zagwijn 1985, History of the northwest European rivers during the past three million years, Cambridge

Etwa zeitgleich flossen Schmelzwässer der Gletscher in Skandinavien teils in südwestlicher Richtung ab und brachten auch aus dem Gebiet Schwedens, der heutigen Ostsee, Finnlands, Estlands und weiter östlich davon Gesteinsmaterial in unsere Region, welches ebenfalls in den oben beschriebenen Saugbaggereien anzutreffen ist. Als eine seltene Komponente dieses Gesteinsmaterials ist baltischer Bernstein zu nennen. Etwas häufiger sind dort silifizierte Kalksteine, die oft eine wunderbar erhaltene fossile Fauna wie z.B. Trilobiten beherbergen, sowie isolierte fossile Schwämme und Korallen zu finden. Das Alter dieser Fossilien ist auf etwa 450 Millionen Jahre festgelegt. Sie waren in der Fachliteratur schon häufig Gegenstand von Arbeiten. Dieses nach Südwesten abfliessende Schmelzwassersystem, welches auch das „Baltische Flusssystem“ genannt wird, vereinigte sich im frühen Pleistozän irgendwo im norddeutschen Raum mit dem aus südöstlicher und östlicher Richtung kommenden Flusssystem der Urweser um dann in Richtung Westen in die damalige Nordsee zu münden (Abb.2). Große Mengen von Sand, Geröll und teilweise auch große Blöcke wurden dabei im westlichen Niedersachsen und den angrenzenden Niederlanden abgelagert. Heute wird dieses annähernd vorsortierte Material in vielen Saugbaggereien und Kiesgruben im Emsland und in der Grafschaft Bentheim abgebaut.

Im ausgehenden Pliozän und im frühen Pleistozän entwässerten in Skandinavien wahrscheinlich frühe Gletscher, die sich im norwegischen Gebirge bildeten, oder auch enorme Schneemassen im Frühjahr nach Südwesten. Dieses Entwässerungssystem wird das baltische Flusssystem genannt. Ausläufer dieses Systems durchquerten im frühen Pleistozän auch das Emsland, siehe Nr.1. Sie brachten Gesteine aus Schweden, dem Baltikum, Finnland und Russland mit. In diesen Ablagerungen kann man heute baltischen Bernstein und sehr schöne silifizierte Fossilien finden. Die Ostsee existierte zu dieser Zeit noch gar nicht. Erst die Gletscher der darauffolgenden Eiszeit räumten dieses vorgeformte Relief aus und die Ostsee entstand.

Gleichzeitig entwässerte ein Flusssystem oder die Urweser aus Richtung Südosten kommend enorme Schmelzwassermengen nach Nordwesten, siehe Nr.2. Sie brachten Gesteine aus dem Harz, dem Solling, dem Wesergebirge sowie den Thüringer Wald mit. Auch einige Funde von Bernstein stammen wahrscheinlich, nachdem er mehrfach umgelagert wurde, aus dem Bitterfelder Raum. Er wurde ebenfalls nach Nordwesten transportiert (HUISMAN, 2008).