Maczkow

Maczków – Eine Episode polnischer Geschichte

Die Gemeinde Haren wird Ende Mai 1945 Akteur in einer räumlich begrenzten und zeitlich beschränkten Episode an der deutsch-holländischen Grenze.

Der nordwestliche Teil Deutschlands - und damit auch das Emsland - wird nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges der britischen Militärregierung unterstellt. Denn gemeinsam haben britische, kanadische und polnische Truppenverbände unter der Führung des britischen Generalfeldmarschalls Bernhard L. Montgomery Norddeutschland erobert. Nun werden sie Besatzungseinheiten.

Die polnischen Soldaten in diesem Truppenverband sind Angehörige regulärer polnischer Streitkräfte, die von der polnischen Exilregierung in Großbritannien aufgestellt wurden. Verträge mit der britischen Regierung vom 2. und 22. August 1940 regulieren den formellen Status der polnischen Truppen. Sie werden als Streitkräfte eines souveränen Staates betrachtet und sind in jeder Hinsicht dem polnischen Oberbefehlshaber und dem polnischen Staatspräsidenten im Exil unterstellt. Das Militärrecht, die
Justiz sowie die Personalangelegenheiten fallen in die Kompetenz der polnischen Exil-Behörden. Nur die territoriale und operative Befehlsgewalt wird auf das britische Oberkommando übertragen. Die Stärke dieser Exil-Armee wird mit rund 185.000 Soldaten angegeben, damit ist sie die größte Exil-
Armee während des Zweiten Weltkrieges.

Für uns in Haren bedeutsam ist innerhalb dieser Exilarmee die 1. polnische Panzerdivision unter dem Befehl des Generals Stanisław Maczek. Er ist ein ehemaliger Absolvent der Philosophie und Polonistik an der Lemberger Universität. Als Kompanieführer der Tiroler Kaiserjäger war er Teilnehmer des Ersten Weltkrieges. Später in den Jahren zwischen 1918 - 1920 zeichnete er sich im polnischen Heer bei Kämpfen gegen Ukrainer und Sowjets besonders durch sein Organisationstalent aus. Im jungen wiedergegründeten eigenständigen polnischen Staat übernahm Stanisław Maczek - inzwischen
Oberst im Generalstab - als Kommandeur die 10. motorisierte Kavalleriebrigade. Ein Truppenverband,
- der 1937 neu aufgestellt wurde,- bildete dann im Exil in Großbritannien mit seinen Offizieren unter Unteroffizieren die Stammmannschaft der 1. Panzerdivision. Im April 1944 erreichte der Kampfverband erst seine vollständige Stärke mit 835 Offizieren und 13.855 Unteroffizieren und
Mannschaften. In den Kämpfen des Zweiten Weltkrieges betrugen die Verluste ca. 1.300 Gefallene
und 3.800 Verwundete. Unter den Toten und Verwundeten befanden sich 507 Offiziere.

Schon am ersten Tag ihres Aufenthaltes auf deutschem Territorium wird eine Gruppe Soldaten der 1. polnischen Panzerdivision mit der Frage ihrer polnischen Landsleute konfrontiert, die das Schicksal ins Deutsche Reich geführt hat. Eine Patrouille des 2. Panzerregiments erreichte am 12. April 1945 das Kriegsgefangenenlager Oberlangen und befreite hier 1.726 polnische weibliche Soldaten - Mitglieder der polnischen Untergrundarmee aus dem Warschauer Aufstand.

Bald nach Beendigung der Kampfhandlungen des Zweiten Weltkrieges suchten ca. 30.000 polnische Zivilisten Zuflucht bei der 1. polnischen Panzerdivision. Zusammen mit den rund 18.000 polnischen Soldaten bildete sich hier im Emsland eine Art Enklave. Daher sah sich die britische Militärregierung gezwungen, für die polnischen Zivilpersonen sowie die ehemaligen Kriegsgefangenen Unterkünfte zu beschaffen. Die gerade erst aufgehobenen und verlassenen Barackenlager mussten nun als Unterkünfte wieder genutzt werden. Außerdem mussten noch weitere Quartiere für die Soldaten der Panzerdivision requiriert werden.

Einige Städte und Gemeinden im Emsland mussten von den Bewohnern geräumt und die Wohnungen den polnischen Soldaten und Zivilisten überlassen werden.

Am 19. Mai 1945 traf auch unterwartet die Gemeinde Haren dieses harte Schicksal. Zwischen dem
21. und 28. Mai 1945 mussten 514 Häuser geräumt werden, und somit wurden ca. 1.000 Familien obdachlos. Die betroffenen Bewohner mussten ihre Möbel, Öfen, Küchengeräte und Geschirr in den Wohnungen zurücklassen. Der „Auszug“ der Harener Bürger aus ihrer Ortschaft wurde von der britischen Militärpolizei sowie polnischen Soldaten überwacht.

Als Aufnahmegebiet wurden den Harensern die umliegenden Bauernschaften zugewiesen. In den Ort Haren zogen rund 4.000 Polen ein. Hier entwickelte sich nun eine neue Stadt mit einem polnischen Bürgermeister, Stadtrat, einer polnischen Pfarrei und einem Krankenhaus.

Im Einverständnis mit dem neuen polnischen Divisionskommandeur Klemens Rudnicki wurden

Schulen und andere kulturelle Einrichtungen gegründet und unterhalten.

Während eines Truppenbesuches im Emsland am 24. Juni 1945 gab der polnische Oberbefehlshaber General Graf Tadeusz Bor - Komorowski der Gemeinde Haren in einer Feierstunde einen neuen Namen: Maczków. Es war eine Ehrenbezeugung gegenüber dem scheidenden Kommandeur der 1. Panzerdivision: Stanisław Maczek; in Schottland übernahm er den Befehl über das 1. Polnische Korps. An seiner Stelle trat am 23. Mai 1945 General Klemens Rudnicki.

Hier in dieser neuen Stadt entwickelte sich ein reges Leben mit zwei Theatern, einem Gymnasium, einem Kino und anderen öffentlichen Einrichtungen.

Auf Grund intensiver Bemühungen von Seiten der deutschen Behörden verließen am 10. September
1948 die letzten polnischen Familien Haren. An diesem Tag nahmen alle Harener Bürger an einem Fest- und Dankgottesdienst teil. Langsam normalisierte sich wieder das Leben in der Gemeinde Haren.

Straßenkarte mit polnischen Namen

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Stadtplan Haren Maczkow