Schwester Kunigunde

Eine Ordensschwester rettete 1945 die Schifferstadt Haren an der Ems

Als die kanadischen Kampfeinheiten sich in den Tagen vom 8. bis 12. April 1945 Haren näherten, setzte Beschuss ein, da man noch deutsche Truppen in der Schifferstadt mit Brücke über die Ems vermutete. Es wurden einige Häuser zerstört, andere beschädigt. Die Militärs wollten sicher gehen und planten ein Bombardement, das Haren weitgehend zerstören würde. Durch Vermittlung eines in Haren lebenden Deutschamerikaners nahm man davon Abstand, da versichert wurde, dass die deutschen Soldaten abgezogen seien. Nach der Sprengung der Brücke feuerte ein deutscher Soldat noch mit einer Panzerfaust auf einen anrückenden kanadischen Panzerspähwagen, der in Flammen aufging, wobei zwei Kanadier zu Tode kamen. Daraufhin griffen Flugzeuge die Stadt an und nahmen sie unter Beschuss.

Das war die Stunde der Schwester Kunigunde. Während der Angriffe schnappte sie sich ein großes Bettlaken und hastete zur Kirche und in den Turm, wo sie unter Lebensgefahr das weiße Betttuch hin- und herschwenkte, was die Piloten sahen und abdrehten, da sie von einer Übergabebereitschaft der Stadt ausgingen. Schwester Kunigunde setzte sich über alle blockierenden Bedenken hinweg, dass sie nämlich von fanatischen Nationalsozialisten noch des Vaterlandsverrats bezichtigt und standrechtlich erschossen werden könnte. Sie rettete somit das alte Schifferstädtchen mit seinem Emsländischen Dom vor der Zerstörung.

Schwester Kunigunde, geborene Therese Schepers, Jahrgang 1914, war eines von acht Kindern und wollte Missionarin in Übersee werden. Zunächst aber machte sie eine Ausbildung als Kindergärtnerin, trat dann mit 20 Jahren in den Orden der Schwestern der Göttlichen Vorsehung mit Sitz in Münster ein. Der Orden schickte sie mit 22 Jahren nicht in die Mission, sondern nach Haren, wo sie tatkräftig und selbstbewusst arbeitete, wobei sie sich nicht von den NS-Leuten einschüchtern ließ. Als Haren für polnisches Militär und polnische Displaced Persons geräumt werden musste (21.-23. Mai 1945), blieb sie bei den Menschen in der Umgebung von Haren und betreute sie auch seelsorglich in der Zeit der Evakuierung 1945-1948.

Ihr Wunsch, als Missionarin nach Übersee zu gehen, erfüllte sich doch noch: der Orden entsandte sie nach Brasilien. 1995 war sie auf Besuch in Haren, wurde offiziell geehrt und starb 1999. 2012 wurde der Platz hinter dem Emsländischen Dom nach ihr benannt.